Münster

Priester wegen Äußerungen über Missbrauch in Ruhestand versetzt

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Der Dom von Münster mit Augen-Kunstwerk – "als Symbol für die Omnipräsenz Gottes".

Ein katholischer Priester aus Münster sorgte in den vergangenen Tagen für Empörung mit seiner Forderung, den Tätern des sexuellen Missbrauchs in der Kirche zu vergeben. Nach weiteren problematischen Äußerungen wurde er gestern vom zuständigen Bischof zum Schweigen ermahnt und in den Ruhestand versetzt.

Ein katholischer Priester, der sexuellen Missbrauch verharmlost, vor seiner Teddybärensammlung. In keinem Spielfilm hätte man es gewagt, ein solches Szenenbild zu wählen – viel zu plakativ, viel zu offensiv Assoziationen weckend. Doch das Zuhause von Pfarrer Ulrich Zurkuhlen sieht tatsächlich so aus. Das zeigt ein Beitrag des WDR, der den Priester in seinen heimischen vier Wänden interviewte. Ein Beitrag, in dem sich Zurkuhlen endgültig um Kopf und Kragen redete.

Vergangene Woche hatte der emeritierte Pfarrer Ulrich Zurkuhlen in der Heilig-Geist-Kirche im westfälischen Münster für einen Eklat gesorgt, über den deutschlandweit berichtet wurde. In einer Predigt zum Thema "Vergebung" hatte der 79-Jährige gesagt, dass auch Priestern, die Minderjährige sexuell missbraucht hätten, vergeben werden müsse. Bei vielen Gottesdienstbesuchern führte dies zu Verärgerung und lautstarken Protesten, einige verließen sogar den Gottesdienst. "Das war das erste Mal in meinem 54 Jahre langen Priesterleben, dass ich bei der Predigt von einer Gruppe Protestler/innen niedergeschrien wurde", schrieb Zurkuhlen später auf seiner Homepage.

Die Empörung der Gottesdienstbesucher und die Tatsache, dass Zurkuhlens Predigt deutschlandweit für schlechte Presse sorgte, ließ den gemeindeverantwortlichen Pfarrer für Montagabend eine öffentliche Gesprächsrunde ansetzen, in der die Gemeindemitglieder ihrem Entsetzen Ausdruck verleihen konnten. Auch der WDR war anwesend und filmte. Doch da der Priester, der für die Aufregung gesorgt hatte, nicht zu der Gesprächsrunde erschien, weil ihn die Pfarrei nicht eingeladen hatte, ließ ihn der WDR in einem eigenen Interview zu Wort kommen. Aufgenommen wurde es in der vor Teddybären überquellenden Wohnung des Priesters, die die WDR-Journalisten gnädigerweise nicht als Hintergrund für das Interview nutzten.

Zurkuhlen betonte in dem Interview zwar zunächst seine volle Solidarität mit den Missbrauchsopfern, brachte dann jedoch zum Ausdruck, dass er sich wundere, warum die Opfer so lange gewartet hätten, bis sie ihre Anschuldigungen erhoben. Und Zurkuhlen setzte nach: "Wenn Kinder wirklich so etwas Schreckliches erlebt haben bei einem Jugendkaplan, warum gingen sie immer wieder dahin, hinterher?", fragte er. Er folgerte daraus: "Wenn die Kinder immer wieder dahin gingen, hatten sie ja offenbar auch ein positives Verhältnis zu dem Mann". Insgesamt, so Zurkuhlens vor laufender Kamera geäußerte Meinung, sei "es vielleicht nicht so tragisch für die Kinder" gewesen.

Zurkuhlens für immer mehr Empörung sorgende Äußerungen zwangen nun auch den zuständigen Bischof Felix Genn zum Handeln. Genn kritisierte Zurkuhlens Äußerungen gestern öffentlich scharf, verpasste dem Priester einen Maulkorb und versetzte ihn bei gekürzten Bezügen endgültig in den Ruhestand: 

"Pfarrer Ulrich Zurkuhlen ist es verboten, sich weiterhin in dieser Sache zu äußern, sei es schriftlich oder mündlich. Ich möchte dadurch verhindern, dass er weiterhin die Betroffenen mit seinen unsäglichen Thesen belästigt.

Ich habe ihm mit dem heutigen Tage jeglichen Dienst als Seelsorger untersagt, die öffentliche Zelebration und Predigt. Außerdem wurde ihm die Beichtvollmacht entzogen. 

Ich erwarte von ihm eine glaubhafte schriftliche Entschuldigung gegenüber den Betroffenen, gegenüber der Gemeinde, den Kolleginnen und Kollegen, gegenüber all den Menschen, die er verletzt hat.

Mit dem heutigen Tag habe ich Pfarrer Zurkuhlen in den Ruhestand versetzt und die Bezüge gekürzt.

All dies bedeutet, das Pfarrer Zurkuhlen nicht mehr als Seelsorger tätig sein kann und darf. Wenn einer meiner Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen solche Thesen vertritt, kann er nicht weiterhin im Dienst bleiben."

Für die katholische Kirche ist die Causa Zurkuhlen ein medialer Supergau. Umso mehr als erst vor wenigen Tagen öffentlich bekannt wurde, dass die Missbrauchsvorwürfe gegen Priester in Deutschland trotz verschärfter Präventionsmaßnahmen seit 2009 nicht abgenommen haben. Das besagt eine neue Studie der Wissenschaftler um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing, der auch die im vergangenen Herbst veröffentlichte große Missbrauchsstudie angefertigt hatte. Dreßings Erklärung für diesen Sachverhalt: die Prävention stößt bei einigen Priestern auf Granit. Dass die Aufklärungsarbeit über sexuellen Missbrauch, über dessen Zusammenhang mit Machtverhältnissen und über das, was er mit Missbrauchten anrichtet, bei einigen Priestern definitiv nicht angekommen ist, dafür ist der Fall Zurkuhlen ein trauriges Beispiel.