Weg mit den Heilpraktikern!

Selten genug, dass aus Kreisen der FDP-Gesundheitspolitik ein vernünftiger Vorschlag kommt. Dieser aber ist sehr löblich: Wie das Ärzteblatt unlängst mitteilte, wolle die FDP langfristig das Berufsbild "Heilpraktiker" abschaffen. Aus einem Positionspapier der "AG Gesundheit" der FDP-Bundestagsfraktion gehe hervor, dass es die freien Demokraten "im Sinne der Patientensicherheit" als geboten ansähen, "die Erlaubnis zur Bezeichnung als 'Heilpraktiker' mittelfristig auslaufen zu lassen".

Es würde durch die staatliche Erlaubnis, die Bezeichnung "Heilpraktiker" zu führen, bei Patienten der Eindruck erweckt, dass der betreffende Behandler tatsächlich des "Heilens" kundig und von der von ihm vorgenommenen Behandlung tatsächlich "Heilung" zu erwarten sei. Tatsächlich aber müssten Heilpraktiker, um die entsprechende Erlaubnis zu erhalten, lediglich eine Prüfung ablegen, die sicherstellen solle, dass von ihren Tätigkeiten keine Gefahren ausgingen. Der Staat dürfe sich insofern "nicht zum Gehilfen für Verbrauchertäuschungen machen" lassen. Für bereits praktizierende Heilpraktiker, so das FDP-Papier, solle es einen Bestandsschutz geben. Gleichwohl laufen die Heilpraktikerverbände Sturm.

Angewandte Pseudoheilverfahren

Das Gros der Heilpraktiker hierzulande arbeitet mit sogenannten Alternativheilverfahren: von Homöopathie, Neuraltherapie und Schüßler-Salzen hin zu Spagyrik, Urin- oder Zytoplasmatischer Revitalisierungstherapie. Keines der von Heilpraktikern bevorzugten Verfahren basiert auf einer wissenschaftlichen Grundlage und keines davon verfügt über einen tragfähigen Wirkbeleg (außer dem allemal möglichen Placeboeffekt).

Heilpraktiker rekrutieren ihre Klientel in der Regel unter Menschen, die in der ein oder anderen Form "Alternativen" zur wissenschaftlichen Medizin suchen, die ihnen als unpersönlich, apparatebezogen, chemielastig usw. erscheint. Heilpraktiker dagegen versprechen persönliche Zuwendung, ein "ganzheitliches" statt symptomorientiertes Herangehen, sowie "sanfte", "natürliche" und in jedem Falle "chemie-" und damit vermeintlich "nebenwirkungsfreie" Heilmittel.

Briefmarke

Sowohl von den Heilpraktikern selbst als auch von ihrer gläubigen Kundschaft werden Alternativheilkunde und Naturheilkunde häufig in eins gesetzt. Tatsächlich haben die sogenannten Alternativheilverfahren mit Naturheilkunde überhaupt nichts zu tun. Zu den wirklichen Naturheilverfahren, allesamt Teil der Schulmedizin, zählen Luft- und Lichttherapie, Wasseranwendungen, Entspannungs- und Bewegungsübungen, bewusste Ernährung und allgemein "gesündere Lebensführung"; pharmakologisch auch der Einsatz wirkbelegter Pflanzenpräparate.

Im Gegensatz zu diesen bewährten Naturheilverfahren können die Alternativheilverfahren keinerlei tragfähigen Wirkbeleg vorweisen, ein Umstand, der mit Hilfe suggestiver Begleitbegriffe wie "unkonventionell", "komplementär" oder eben auch "ganzheitlich" vertuscht wird. Wären die Alternativheilverfahren wirkbelegt, wären sie längst Teil der Schulmedizin. Bei vielen Heilpraktikern finden sich Schnittmengen pseudotherapeutischer Alternativheilverfahren und wirkbelegter Naturheilverfahren, viele führen aber auch ausschließlich Alternativheilpraktiken im Sortiment.

Keinerlei ernstzunehmende Ausbildung

Die wenigsten Menschen, die sich Heilpraktikern anvertrauen, wissen um deren fachlich völlig unzulängliche Qualifikation. Tatsächlich müssen angehende Heilpraktiker bei der Überprüfung ihrer Kenntnisse durch den Amtsarzt keinerlei heilkundliche Ausbildung nachweisen. Die Überprüfung sieht laut Heilpraktikergesetz von 1939 (!) lediglich die Feststellung vor, ob die antragstellende Person eine "Gefahr für die Volksgesundheit" bedeuten könne, ob also der angehende Heilpraktiker weiß, was er als solcher nicht darf: Ausübung von Gynäkologie und Zahnheilkunde, Behandlung von Infektionskrankheiten u. a. Eine inhaltliche Überprüfung findet, wenngleich der Fragenkatalog sich aufgrund verschiedener Durchführungsverordnungen in den zurückliegenden Jahren etwas verschärft hat, nur in sehr oberflächlicher Weise statt. Es wird eine Liste an Fragen zu Berufs- und Gesetzeskunde sowie zu medizinischen "Grundkenntnissen" abgehakt, überwiegend im Multiple-Choice-Verfahren. Eine praktische Prüfung gibt es nicht. Voraussetzungen zur Teilnahme gibt es auch keine: es reicht, über 25 Jahre alt und Hauptschulabsolvent zu sein.

Nochmal: Heilkundliche Ausbildung wird nicht vorausgesetzt. Die "Überprüfung" als Verwaltungsakt kann im Falle des Nichtbestehens endlos wiederholt werden, so dass irgendwann selbst der Ahnungsloseste durchkommt. Im Bestehensfalle ist der Heilpraktiker berechtigt, sich mit nahezu jeder Methodik in nahezu jedem medizinischen Bereich zu schaffen zu machen: ein Skandal, den sich nur das bundesdeutsche Gesundheitswesen leistet, es gibt so etwas in keinem anderen Land der EU, in Österreich ist die Ausübung der Heilkunde ohne ärztliche Approbation sogar unter Strafe gestellt.

Die zahllosen Heilpraktikerschulen hierzulande sind reine Privatunternehmen, die völlig willkürlich und nach Gutdünken der jeweiligen Betreiber strukturiert sind; viele bieten ihre Dienste online oder per Fernkursus an. Die Rahmenbedingungen der einzelnen Schulen unterliegen ebensowenig einer öffentlichen Kontrolle wie die Qualifikation der Dozenten oder die jeweiligen Lehrinhalte. Sie unterstehen nicht den Schulbehörden. Konsequenterweise kann man sich an vielen dieser Schulen nicht nur zum Heilpraktiker, sondern gleichzeitig auch zum "Astrologen", zum "Engelmedium" oder zum "Reinkarnationstherapeuten" ausbilden lassen. Aber, wie gesagt, es ist noch nicht einmal das Durchlaufen der windigsten Heilpraktikerschule vonnöten, um zur amtsärztlichen Überprüfung zugelassen zu werden, die zu bestehen nicht viel mehr erfordert als durchschnittliches Kreuzworträtselwissen. Heilpraktiker dürfen anschließend, mit den erwähnten Einschränkungen, praktisch das gleiche machen wie ein approbierter Arzt. Ohne die geringste ernstzunehmende Ausbildung und mit untauglichsten Verfahren dürfen sie an der Gesundheit anderer Menschen herumdilettieren. Ohne Einschränkung dürfen sie auch Psychotherapie betreiben.

Für Heilpraktiker gibt es keine Kammer mit obligater Zugehörigkeit: diagnostisches, klinisches oder ethisches Fehlverhalten kann daher grundsätzlich nicht kammergeahndet werden. Patientenschutz gibt es insofern nicht. Heilpraktiker praktizieren in einem rechtlichen Grauraum, in dem sie selbst bei gravierendster Fehlbehandlung juristisch kaum zu greifen sind.