Klimadebatte

Philipp Möller auf dünnem Eis

Philipp Möller hat mit seinem neuen Buch "Isch geh Bundestag" eine heftige Debatte in der säkularen Szene ausgelöst. Viele Leser zeigten sich mit seinen Ausführungen zur Klima-Thematik alles andere als einverstanden. Nun hat Möller sein Buch in Oberwesel vorgestellt. Deniz Y. Dix war vor Ort und hat sich ein Bild davon gemacht. 

Einen religiösen Glaubenskampf findet man innerhalb der säkularen Szene selten, aber bekanntlich kommt irgendwann immer das erste Mal. Verwunderung darüber brachte Philipp Möller gleich zu Beginn seines Vortrages zum Ausdruck: Da könne man als Berufsatheist jahrelang praktisch widerstandsfrei Gott anpöbeln, müsse aber nur einmal das Wort "Klima" in den Mund nehmen, um die Fluten über sich hereinbrechen zu sehen. In der Tat bot Möllers Buch "Isch geh Bundestag" viel Zündstoff, den insbesondere jene, von denen sich Möller den meisten Zuspruch erhoffte, zum Anlass nahmen, heftigsten Widerspruch zu leisten und sich teilweise von der argumentativ unlautersten Seite zu präsentieren. Doch Möller scheint sich seiner Sache sicher und ist keineswegs bereit, sich einschüchtern zu lassen. Wohl unter anderem deshalb nahm er am 1. Dezember 2019 die lange Reise von Berlin nach Oberwesel auf sich, um letztlich auch vor den argen Kritikern sein Buch zu besprechen. 

Analog zur Struktur seines Buches beginnt er seine Odyssee durch die Politik in einer Art naivem Schlummerzustand, um später seine Erweckungsreise nachzuzeichnen, die seine klimapolitischen Ansichten in eine Revolution führen sollten. 

Ahnungslosigkeit als roter Faden

Die Waffenwahl fiel dem Referenten offensichtlich nicht schwer. Von Sekunde Null an setzte er auf den Modus Charme-Offensive, womit er sein rhetorisches Talent voll ausschöpfen und sich einen Heimvorteil sichern wollte.

Wohl um den Vorher-Nachher-Kontrast zu maximieren, aber auch, um sich als möglichst "relatable" darzustellen, lautet das Motiv des ersten Aktes "Ahnungslosigkeit". In unterhaltsamer Selbstironie schildert Möller seine anfängliche Panik ob der Klimathematik, überspannt den Bogen dabei allerdings. Es bleibt nicht beim Klima. Uns wird auch offenbart, dass der Autor "gar nicht wissen will, was in Afrika politisch abgeht". Auch eröffnet Möller uns sein erschreckend undifferenziertes Bild des Nahen Ostens als: "Da machen die Islamisten ihr Ding". 

Nun könnte es natürlich nur eine harmlose rhetorische Figur sein, es mit diesem Motiv so maßlos zu übertreiben. Doch das Thema des eigenen Nicht-Wissens ist ein wiederkehrendes und hängt wie ein Damoklesschwert auch über dem Rest des Vortrages – in weiten Teilen ungewollt. So erklärt Möller beispielsweise, dass ein 90-seitiges Manuskript über seine Zeit bei der SPD aus der Endfassung des Buches flog, weil er mit dem Geist der SPD nichts anfangen könne. Seine beiden genannten Gründe: Die Sitzungen waren ihm zu langweilig und die Cola war warm. Er berichtete etwa auch von einem Bewerbungsgespräch beim FDP-Klimapolitiker Dr. Lukas Köhler, wo er an der ziemlich vorhersehbaren Frage scheiterte, wodurch sich die Klimapolitik der FDP auszeichnete. Immer wieder zieht Möller den Kürzeren, zeichnet sich als Fähnchen im Wind. Unzählige Sinneswandlungen durchläuft er während seiner Bundestags-Zeit, und zwar praktisch jedes Mal, wenn ihm irgendjemand widerspricht. Das, was Möller zuletzt gesagt wurde, wird augenblicklich dessen neue Grundposition, so scheint es. Und da er sich von Partei zu Partei weiterreichen ließ, geschah dies bemerkenswert oft. Als Zuhörer muss man sich bald mit dem mulmigen Gefühl abfinden, Möllers Naivität wurde von seinen eilig wechselnden Meinungsführern derart dankend ausgenutzt, dass diesem das bis zum heutigen Abend nicht richtig gewahr wurde. Angesichts dieser Auflistung von Anekdoten drängt sich schnell die Frage auf, was Möller uns eigentlich sagen möchte.

Seine abschließende geistige Erweckung präsentiert Möller uns logischerweise zum Schluss. Die ultimative Eingebung ereilte ihn nicht etwa während der Auseinandersetzung mit Fachliteratur oder einem guten Artikel, sondern als er zufällig am Kiosk die Schlagzeile des ZITTY-Stadtmagazins entdeckte, das ihm wissenschaftlich nicht adäquat erschien: "Wozu noch rechnen lernen, wenn morgen die Welt untergeht?" – Bei diesem Anblick kommt ihm ein AfD-Politiker in den Sinn, der ihn mal als "klimareligiös" bezeichnet hatte, und von einem Moment auf dem anderen – mal wieder – erkennt er in dramatischem Pathos, dass jener AfD-Politiker wohl recht gehabt habe. Und nun ist Möller nicht mehr klimareligiös, weil er mittlerweile weiß, dass die beiden Mädchen auf dem Illustriertencover wohl nicht in zehn Jahren ersticken werden und die Darstellung somit als maßlos übertrieben entlarven kann.

Möller beschreibt uns, wie er von der einen naiven Position – auf naivem Wege – zu einer anderen naiven Position gelangte. Die Erkenntnis, dass Panik in Klimafragen keine politische Maxime sein soll, ist die uns präsentierte Weisheit. Eine Weisheit, die dem Durchschnittsdenker auch ohne Möller-Lektüre zugemutet werden kann.

Was jenseits dieser Sentenz die Möller'sche klimapolitische Position ist, erfahren wir so gut wie nicht. In konkreten inhaltlichen Belangen hüllt sich der Vortragende in den Schleier der Diffusität, sagt nicht, was er fordert, betont stattdessen, was er nicht fordert. In der abschließenden Fragerunde schwächelt Möller sichtlich, rezitiert die Position seines heutigen Arbeitgebers, der FDP, gerät durch eine Sachfrage zu seinem Vortrag derart in Bedrängnis, dass Michael Schmidt-Salomon, der als Moderator fungierte, bereitwillig einsprang und routiniert selbst die Antwort gab. 

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Die überzeichneten Gegenspieler

Die Kernthese des Vortrages lautete, dass Weltuntergangsrhetorik, Panik und quasi-religiöse Ideologisierungen nicht die richtige Metrik sein können, um das Klimaproblem zu bewältigen. Um dieser Erkenntnis die Trivialität zu nehmen, präsentiert Möller neben seinem anfänglichen Selbst einige Akteure, gegen die sein späteres Selbst Anklage erhebt. Einer davon ist beispielsweise der Blogger und YouTuber Tarik Tesfu, der eine Rede auf der Unteilbar-Demo hielt. Tesfu verlautbarte in seiner Rede, der Islam gehöre "high five" zu Deutschland. Für Möller ein großer Aufreger, weil der Islam natürlich auch homosexualitäts-feindliche autokratische Strukturen beinhalte, die jemanden wie Tesfu am ehesten träfen. Es mutet ein wenig ironisch an, dass Schmidt-Salomon später – in anderem Kontext – anmahnte, man solle Redebeiträge möglichst wohlwollend auslegen; das scheint für Tesfu nicht zu gelten. Denn ganz offensichtlich ging es diesem nicht um die Schattenseiten des politischen Islams, sondern um hier lebende Muslime. Doch Möller ist das egal, weil durch dessen absurde Lesart Tesfu zum verblendeten Idioten wird, für dessen negative Beurteilung sich wiederum Möllers Kernthese andient. 

Tesfu a posteriori zu radikalisieren und lächerlich zu machen, ist Möller wichtig. So wichtig, dass dieser sich dazu hinreißen lässt, den jungen YouTuber nachzuäffen, indem er die Stimme verzerrt und die Hüften kreisen lässt, wohl um dessen augenscheinliche Homosexualität zu karikieren. Bei dieser Performance gibt es im Saal verschiedene Reaktionen. Manche lassen peinlich berührt den Kopf sinken, anderen steht die Empörung ins Gesicht geschrieben, die meisten aber applaudieren bei dieser "gelungenen" Pointe, was mich wiederum hilfesuchend zur Decke starren lässt. Natürlich ist Möller kein Homophober. Aber er beweist, dass er Fingerspitzengefühl und Niveau zu opfern bereit ist, um die Gruppe, für die Tesfu herhalten muss, jenseits des Inhalts ins Lächerliche zu ziehen. Zwar ist sein Herumgetänzel erstaunlich nah am Original, Hut ab also vor der schauspielerischen Leistung; doch wer hieran einen Anstoß nimmt, hat mein Verständnis. 

Aber es ist eines klar: Um das Inhaltliche geht es hier nicht, sondern um die Gruppenzugehörigkeiten; darum, dass er von "Weißen mit Dreadlocks" bezüglich seiner Tesfu-Kritik Widerspruch erfuhr, und nicht darum, worin dieser bestand. 

Zum Glück hat Seehofer diese Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, bereits beantwortet, sagt Möller. Er wurde da nur missverstanden, denn Seehofer unterschied zwischen dem politischen Islam und in Deutschland lebenden Muslimen. Ich finde: Es bedarf schon einiges an Ignoranz, Seehofers latenten Rassismus zu verkennen, Tesfu aber die exakt identische wohlwollende Interpretation zu verwehren. Und zuletzt: Was hat das überhaupt mit Klimapolitik zu tun?

Natürlich darf bei einem solchen Vortragsthema Greta Thunberg nicht fehlen. Möllers Powerpoint-Präsentation zeigt uns ihr Konterfei – wohl den emotional verzerrtesten Gesichtsaustrug von ihr, den die Google-Bildersuche hergab. Greta steht für Möller stellvertretend für alle, welche die Klimadebatte aufgeregt, emotional und impulsiv führen. Ich gewinne den Eindruck, dass Thunbergs "How dare you?"-Rede auf dem UN-Klimagipfel Möllers Kenntnishorizont ist, was ihre Person angeht. Oder dass er alle anderen Daten bereitwillig ignoriert, Cherrypicking betreibt. Denn gerade sie ist es, die im Allgemeinen als Ruhepol der Fridays for Future-Bewegung angesehen wird; sie ist es, deren Grundposition mit der Möller-Kernthese vollständig kongruiert.

Später zeigt uns Möller auch noch Fotos von der Weltuntergangssekte Extinction Rebellion, ohne dazu viele Worte zu verlieren, oder einen jungen Schüler, der laut Möller geäußert habe, dass die Demokratie seiner Meinung nach nicht geeignet sei, das Klimaproblem anzugehen. Eine Aussage, die Möller in der späteren Fragerunde relativierte, als ein Zuhörer fragte, ob der Junge damit nicht vielleicht "diese konkrete Form" von Demokratie meinte.

Herr Möller möchte uns vor all diesen Spinnereien warnen und tut alles, um diese als relevant, als diskurs-bestimmend darzustellen. Doch der öffentliche Diskurs wird de facto nicht von Weltuntergangssekten, Tarik Tesfu oder einem namentlich unbekannten zwölfjährigen Schüler bestimmt, der gerade seine frühmarxistische Anarcho-Phase durchlebt, wie so viele von uns das taten. Das weiß Möller. Denn auch hier räumt er in der Fragerunde ein, dass etwa nur eine kleine Teilmenge der FFF-Bewegung als radikal oder irrational bezeichnet werden kann. Wenn die Klimabewegung aber im Wesentlichen nicht aus Spinnern besteht, worin genau liegt dann Möllers Anliegen? Hier zeigt sich ein performativer Selbstwiderspruch. Es wird gefordert, man möge allem Irrationalen die Relevanz entziehen. Aber auf dem Weg zu dieser Forderung wird dem Irrationalen eine Übermacht angedichtet, die es vermutlich gar nicht erst gegeben hat.

Doch diesen logischen Fehler begeht Möller gern, weil er die Daseinsberechtigung seines Vortrages ist. Den "Klimanotstand", welchen das Europaparlament kürzlich ausrief, vergleicht Möller unter Darbietung dramatischen Gestikulierens mit Hitlers Notstandsgesetzen. Ein absurder Vergleich, denn hier liegt jenseits des Wortklangs keinerlei Ähnlichkeit vor. In Berlin herrscht Wohnungsnotstand, auf dem Land herrscht Lehrernotstand, in meinem Kühlschrank herrscht Butternotstand, und das alles hat definitiv nicht zu Faschismus und industriellem Massenmord geführt. Ist Möllers Hitlervergleich nicht vielleicht ein besseres Beispiel für irrationale Panikmache als Greta Thunberg oder Tarik Tesfu?

Möller ließ es sich auch nicht nehmen, eine kurze Apologie für Dieter Nuhr vom Stapel zu lassen, der ja nur "drei harmlose Witzchen" über Greta Thunberg wagte und nun von den ganzen Hysterikern auf den moralischen Richtstuhl gezerrt würde. Offenkundig hat sich Möller auch damit nicht wirklich auseinandergesetzt, sonst wüsste er zweierlei. Erstens: Diese drei harmlosen Witzchen beinhalteten einen Hitlervergleich und einen Stalinvergleich. Zweitens: Die Kritik an Dieter Nuhr richtete sich vornehmlich gegen die Tatsache, dass Nuhr überhaupt ein ewig langes Segment in sein Programm einbaute, das einzig und allein Kritik an Thunberg zum Gegenstand hatte, was die Klimadebatte auf eine einzelne Person projiziert und diese vollständig ins Lächerliche zieht, indem man die eine Person in ein schlechtes Licht rückt. Ein klassisches, kolossales Strohmann-Argument. Das Möller auf nahezu identische Weise tätigt: Er und die übrigen Greta-Kritiker stilisieren Greta quasi im Alleingang zur Prophetin, um sie dann dafür zu kritisieren.

Das Schmidt-Salomon'sche Paradigma, Populisten recht zu geben, wo sie recht haben, scheint für Möller nur bei sogenannten Klimawandel-Skeptikern zu gelten. Gern auch für AfD-Politiker. Für die Klimabewegung scheint es nicht zu gelten, hier sind – entsprechend Möllers Darstellung – Pauschalurteile redlich. 

Factfulness und Was auf dem Spiel steht

Der Vortrag ist nicht nur eine Gegenüberstellung zweier Philipp Möllers. Es ist auch ein Wettstreit zwischen zwei Büchern, die immer mal wieder zur Sprache kommen. Dem frühen, naiven Möller entspricht Philipp Bloms "Was auf dem Spiel steht"; dem späten, ebenfalls naiven Möller, Hans Roslings "Factfulness". 

Auch hier hält Möller nicht hinterm Berg, wie leicht er sich von beiden Werken hat manipulieren lassen, was halb so schlimm wäre, wenn er seine Literatur auch verstanden hätte. Er spielt die beiden Autoren auf eine Weise gegeneinander aus, die weder den Geist des einen Buches noch den des anderen wiedererkennen lässt.

"Was auf dem Spiel steht" ist für Möller Weltuntergangspropaganda. Bildhaft schildert er, wie ihm seine Lektüre Panik einflößte, das Blut in den Adern gefrieren ließ, traumlose Nächte bescherte, und bedient noch einige weitere Klischees aus den Gemeinplätzen der Schriftstellerei. "Factfulness" hingegen offenbart Möller im Zuge seiner Wandlung, die Welt würde ja insgesamt immer besser, etwa habe sich die Zahl der Hungernden halbiert, die Säuglingssterblichkeit sei zurückgegangen und so weiter. Kein Grund zur Panik also. Diese Dichotomie zaubert Möller sich aus dem Hut, doch wer nur eines der beiden Bücher gelesen hat, durchschaut den Trick, denn: Gerade in Klimafragen sind sich beide Autoren absolut einig.

Es ist ein Ablenkungsmanöver, aus vereinzelten Domänen, in denen sich eine globale Verbesserung zeigt, ein allgemeines Narrativ zu extrahieren. Ja, die Anzahl der Menschen, die in absoluter Armut leben, stürzt regelrecht in den Keller. Ja, die Anzahl der Mädchen, die in Entwicklungsländern eine Schule besuchen können, explodiert geradezu. Doch diese Entwicklungen via "Es wird schon alles gut" auf Klimapolitik zu übertragen, ist logikwidrig. Manch einer möge nun denken: "Da besteht überhaupt kein Zusammenhang", doch es ist noch viel schlimmer: Es besteht ein negativer Zusammenhang. Wieso gibt es weniger Armut? Wieso steigt die Lebenserwartung? Wieso wird medizinische Versorgung weltweit immer verfügbarer? Weil sich die Welt – meist auf Kosten des Klimas – ökonomisch und industriell weiterentwickelt. Das Klima ist explizit jene Facette der globalen Politik, welche keine Verbesserung zu verzeichnen hat. Rosling weiß das. Möller weiß das auch, kehrt es dennoch unter den Teppich. Obgleich er nie auf die Idee käme, einen Fortschrittsautomatismus zu verkaufen, spinnt sich Möller aus Roslings Werk ein Gegennarrativ zusammen. Mit aller Gewalt extrahiert er ein Feel-Good-Gedankengerüst, wo es eigentlich keinen Anlass gäbe. Entweder man distanziert sich von "Es wird schon alles gut" konsequent – kann dann aber nicht Roslings positive Stimmung auf das Klima übertragen – oder man nimmt diesen Unterschied auf die leichte Schulter und legt damit seine vermeintliche Rationalität ad acta. Was denn nun?

Und genauso legte auch Blom keine fatalistische Weltuntergangs-Prophezeiung vor. Das Buch heißt "Was auf dem Spiel steht" und nicht "Wir werden alle sterben". Die Schnittmenge beider Werke lautet unter anderem: Um das Klima steht es schlecht, es bedarf Interventionen. Wer einem der Bücher Panikmache oder eine Einladung zur Passivität andichtet, betreibt Panikmache oder lädt zur Passivität ein – ohne Zustimmung der Autoren.

Auf Nachfrage betont Möller, dass ihm das klar sei: Natürlich wird die Klimasituation nicht von alleine besser. Doch diese Einsicht speist sich nicht aus seiner vorigen Rhetorik, denn sie hätte seinem Narrativ jedweden Wind aus den Segeln genommen. 

Außer Thesen nichts gewesen

Um zu erkennen, dass eine besonnene Klimapolitik zielführender ist als eine angstgesteuerte, braucht es kaum den Vortrag oder das Buch eines studierten Mannes, der sich vor dem Hintergrund mangelnder Sachkenntnis von einem Unsinn nach dem anderen überzeugen lässt und dabei so wenig Meinung besitzt, dass seine einzige Profilschärfe darin besteht, dem Selbstanspruch nach kein Irrationaler zu sein. Es braucht auch keinen Klimawandel-Leugner der AfD, dessen Propaganda von der "Klimareligion" in liebevoller Weise als Mahnung zur Rationalität ausgelegt wird oder den Erweckungsruf eines anderen AfD-Politikers, den Möller zunächst explizit als "Kein Nazi!" verkauft, drei Minuten später aber erklärt, wie dieser die Forderung danach, Ausländer im Flugzeug zu verprügeln oder die Mitgliedschaft in einem Schützenverein zur "Vorbereitung" mit "Hart, aber stimmt schon" bestätigte. Es braucht auch keine künstlich aufgeblasene Horde radikaler Klima-Fanatiker, um darzulegen, dass diese Horde nicht wünschenswert wäre, wenn es sie denn gäbe. Und man muss auch keinen einstündigen Vortrag über den Modus der Klimapolitik hören, wenn man anschließend nur raten kann, was denn nun die klimapolitische Position des Vortragenden ist. 

Möller schildert das Abenteuer eines unwissenden Naivlings durch den politischen Apparat und schafft es irgendwie, dass man es sympathisch findet, dass während dieser Reise nur Banales an ihm haften blieb. So sympathisch, dass man beinahe die niveaulosen Slapstick-Segmente verzeihen könnte oder all die Vorurteile oder die Tatsache, dass sich der Autor stets bereit wähnt, sich dem nächstbesten Denkfehler an den Hals zu werfen oder den Habitus, mit einem Witz über die eigene Ahnungslosigkeit davon abzulenken, dass ein Ahnungsloser ein Buch mit Aufklärungsanspruch vorträgt. Aber eben nur beinahe.

Die Stärke, ganz klar: Sein Bühnentalent. Möller bewies abermals, dass er ein Showbiz-Mensch durch und durch ist. Doch dieses Talent kann schnell in ein Problem umschlagen, wenn ein unterhaltsames, gut vorgetragenes Referat das Publikum vollständig von der Lücke ablenkt, in der Platz für Inhalt gewesen wäre. 

Man darf Möllers Vortrag (sowie die Buchgrundlage) nicht als Sachreferat verstehen, nicht als Philosophie und schon gar nicht als Beitrag zur Klimadebatte, denn, da hat er durchaus recht: Diese sollte rational geführt werden. Das Buch wie auch der Vortrag waren unterhaltsam für jene, die es mit logischer Stringenz nicht so ernst nehmen und auch mal über ein niveauloses Comedy-Programm herzlich lachen können. Möller mehr abzuverlangen, wäre seinem Buch gegenüber nicht fair.


Nachtrag vom 05.12.2019, 15:55 Uhr: Dieter Nuhr leugnet bestreitet* die im Artikel angeführten Vergleiche Greta Thunbergs mit dem Nationalsozialismus. Die Quelle für diese Information, die "Kieler Nachrichten", hat die Behauptung zurückgezogen und sich bei Nuhr für die missverständliche Berichterstattung entschuldigt. Nach nochmaliger Überprüfung stellt sich heraus, dass in der Tat kein expliziter Hitlervergleich vorliegt, wenngleich implizite Äußerungen getätigt wurden, welche ohne Schwierigkeit in diese Richtung interpretiert werden können. Natürlich gilt für Nuhr an dieser Stelle aber die Unschuldsvermutung.

*verändert am 11.12.2019

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