Jahresrückblick

2020: Ein Jahr im Zeichen einer Jahrhundertpandemie

Zu Beginn des neuen und hoffentlich erfreulicheren Jahres 2021 wollen wir zunächst noch einmal zurück auf das ungewöhnliche und merkwürdige vergangene blicken. Auch am hpd ging dieses nicht spurlos vorbei: während des ersten Lockdowns sanken die Leserzahlen und erholten sich erst langsam wieder. Der Humanistische Pressedienst verzeichnete mit insgesamt rund 3,5 Millionen Seitenaufrufen etwa 200.000 Klicks weniger als im Vorjahr. Auf die Publikationshistorie gesehen war das Jahr 2020 mit fast 900.000 Aufrufen mehr als 2018 beziehungsweise einer Steigerung von über 1,2 Millionen gegenüber 2017 dennoch ein erfolgreiches.

Januar

Für den ersten "hpd-Highscore" des noch jungen Jahres 2020 sorgte ein Kommentar von Hans Trutnau mit dem Titel "Homo oeconomicus vs. ökonologische Revolution", der über 47.000 Mal aufgerufen wurde und in dem es um eine mögliche Lösung der Klimawandelproblematik ging.

Des Weiteren beliebt war eine Replik von Herbert Thomsen zum Thema Kirche als Arbeitgeber, in der er der Auffassung widersprach, dass Anders- oder Nichtgläubige generell keine Jobaussichten bei Diakonie und Caritas hätten.

Hohe Klickzahlen verbuchte auch ein Beitrag von Colin Goldner über das Feuer in der Silvesternacht im Zoo von Krefeld, bei dem – ausgelöst durch eine sogenannte "Himmelslaterne" – viele Affen und andere Tiere zu Tode kamen oder so schwer verletzt wurden, dass man sie "erlöste".

Februar

Atheismus sei eine größere Bedrohung für die westliche Kultur als der Islam, findet der Kalif der Ahmadiyya Muslim Jamaat und verkündete dies bei einer Veranstaltung im Berliner Nobelhotel "Adlon" in Gegenwart von Bundestagsabgeordneten und eines Staatsministers. Viele Menschen lasen im zweiten Monat des Jahres, wie das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) diesen Vorfall aufgriff.

Zwar weiß jedes Kind, dass es nicht so ist, dennoch gibt es Menschen, die davon überzeugt sind, dass die Erde flach ist. Einer von ihnen wollte dies zu Beginn des Jahres beweisen und schoss sich mit einer Rakete Marke Eigenbau in die Luft. Sein Experiment kostete ihn tragischer Weise das Leben, wie die stellvertretende hpd-Chefredakteurin Daniela Wakonigg berichtete.

Mit Abstand auf das meiste Interesse (über 61.000 Aufrufe) stieß der Artikel "Wenn Aliens unsere Babys essen" von Hugo Stamm, der sich mit den folgenschweren Dogmen, der Mensch sei die "Krone der Schöpfung" und solle sich die Erde untertan machen, auseinandersetzte.

März

Derselbe Autor erreichte mit seinem Beitrag "Verschwörungstheorien verbreiten sich schneller als das Coronavirus" das Jahreshoch von mehr als 123.000 Klicks – ein Thema, das nach wie vor nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Eine weitere Meldung zur Pandemie, die in diesem Monat erstmals das Land lahmlegte, schaffte es ebenfalls in das März-Best-Of: hpd-Redakteurin Gisa Bodenstein schrieb über die ganz eigene Strategie einer Hindu-Gruppierung, um dem Virus beizukommen: Sie versammelte sich, um gemeinsam Kuh-Urin zu trinken.

Von derselben Autorin stammte auch der Text über einen evangelikalen Pastor aus Berlin, der unter dem Motto "Kompromisslos durch die Endzeit" zum Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen aufrief. In seiner Predigt demonstrierte er unter anderem auch den Hitlergruß.

April

Der eine oder die andere fiel auf den diesjährigen Aprilscherz des hpd herein und bescherte diesem die höchsten Aufrufzahlen des Monats von weit über 59.000: Natürlich gab es keine bundesweiten Razzien, bei denen Akten aus allen Bistümern beschlagnahmt wurden, um weiteres Licht ins Dunkel des kirchlichen Missbrauchsskandals zu bringen. Leider war dies zu schön, um wahr zu sein.

Am gleichen Tag informierte hpd-Chefredakteur Frank Nicolai außerdem über einen Durchbruch bei der Forschung zu Fleisch aus der Retorte und stieß damit auf reges Leseinteresse.

Der zweiterfolgreichste Artikel – geschrieben von Fabian Krahe – drehte sich um die Rolle des säkularen Humanismus in Star Trek.

Mai

Im Folgemonat war es Elisa Stadlers Kommentar "Wissenschaftsfeindlich und rückwärtsgewandt" über die von der Corona-Pandemie erzeugte neue Front aus Verschwörungstheoretikern und Impfgegnern, der am häufigsten aufgerufen wurde (um einiges mehr als 15.000 Mal).

Gisa Bodenstein analysierte das "Incel"-Phänomen – eine weltumspannende Gemeinschaft von Männern, die sich im Internet zusammengefunden haben und sich über ihre Unfähigkeit, sexuelle Beziehungen aufzubauen, definieren; auch darüber wurde beim hpd gerne gelesen.

Schließlich erfreute sich noch ein weiterer Bericht des ifw über sieben Verfassungsfragen zur Kampagne "#WirsindRechtsstaat", die es an Bundeskanzlerin Angela Merkel, Justizministerin Christine Lambrecht und den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, geschickt hatte, einiger Beliebtheit.

Juni

Im ersten Monat des Sommers konnte Daniela Wakonigg eine Premiere vermelden: der erste pastafarianische Ratsherr wurde in Bamberg vereidigt – mit der Beteuerungsformel "Ich gelobnudele".

Ein Beitrag über Rudolf Steiners Rassismus und die "Stuttgarter Erklärung" führte mit fast 16.000 Aufrufen die Leserzahlen an (Autor: Andreas Lichte).

Auf die Jahresliste schaffte es außerdem Gunnar Schedels Jubiläumsschau zu 25 Jahren Alibri Verlag, in der er zu der Erkenntnis gelangte, dass sich die Rahmenbedingungen für Religionskritik drastisch verschlechtert haben.

Juli

Monatlicher Spitzenreiter mit weit über 18.000 Aufrufen war ein Bericht aus der Schweiz von Udo Obermayer und der JW Opfer Hilfe über ein wegweisendes Urteil, das von einem Züricher Gericht bestätigt wurde: Grundlegende Kritik an Jehovas Zeugen ist berechtigt.

Auf dem zweiten Platz landete Andreas Lichtes Offener Brief an Henning Kullak-Ublick vom Bund der Freien Waldorfschulen, in dem der Autor ausdrücklich um eine Stellungnahme zu seinem bereits angesprochenen Artikel über die "Stuttgarter Erklärung" und Rudolf Steiners Rassismus bittet (siehe Juni).

Ein weiterer Offener Brief wurde ebenfalls vielfach angeklickt: Diesmal von der hpd-Redaktion selbst verfasst und an Facebook gerichtet. Das soziale Netzwerk sperrt regelmäßig ohne Möglichkeit zum Widerspruch Karikaturen der Rubrik "Spott sei Dank" und drohte dem hpd gar, seine Facebookseite überhaupt nicht mehr "auszuliefern".

August

Constantin Hubers Kommentar, warum Gendern sinnvoll und auch nicht schwierig ist, konnte viele Leseinteressierte für sich gewinnen. Nur die Meldung von Daniela Wakonigg über Donald Trump, der auf einer Wahlkampfveranstaltung behauptet hatte, mit Gott gesprochen (und Antwort erhalten zu haben), wurde reichlich über 10.000 Mal und damit noch häufiger aufgerufen.

Ein neuerlicher Offener Brief – diesmal von Peder Iblher an eine Corona-Leugnerin, mit dem er herausfinden wollte, was unsere Meinungsbildung in den letzten Jahren so verstörend radikalisiert hat – komplettiert das Trio.

September

Die Rezension aus Österreich zu "Generation Haram", verfasst von Ronald Bilik, gehörte im Monat Nummer neun zu den Beiträgen, die besonders zahlreich Leser:innen anlockten. Im Buch fordert die Schriftstellerin, dass sich Bildungspolitik den Lebenswelten aller Schülerinnen und Schüler anpassen müsse, da Kinder von Migranten im österreichischen Bildungssystem diskriminiert würden.

Ebenfalls mit dabei: Die Kritik an der Antwort auf einen zuvor verschickten Offenen Brief von drei Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung, Naïla Chikhi, Monireh Kazemi und Fatma Keser. Lediglich Linken-Vorsitzende Katja Kipping hatte geantwortet und dabei sämtliche angeprangerten Missstände umschifft.

Über 9.500 und damit die meisten Aufrufe konnte ein als Dialog angelegter Text von Andreas Lichte über den neuen Rudolf Steiner der anthroposophischen Alanus-Hochschule auf sich vereinen.

Oktober

In diesem Herbstmonat erhielt der Kommentar von Mina Ahadi anlässlich der Enthauptung des Lehrers Samuel Paty in Frankreich, der im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, mit beinahe 13.000 Klicks die meiste Aufmerksamkeit. "Die Stimme erheben gegen Islamismus" lautete die Forderung der Menschenrechtlerin.

Für Aufsehen sorgten außerdem zwei Texte zum abgelehnten Evolutionsweg in Hellenhahn-Schellenberg: Der dortige Gemeinderat wollte den von den Säkularen Humanisten Rhein-Neckar entwickelten Lehrpfad errichten lassen, doch die Einwohner stimmten in einem Bürgerentscheid dagegen. Dem Bericht von Gisa Bodenstein folgte ein satirischer Kommentar von Bernd Kammermeier, Gestalter der Schilder des Evo-Wegs.

November

Am meisten begeisterte die hpd-Leserinnen und -Leser im November die Erklärung von Hamed Abdel-Samad, mit der er seinen sofortigen Rücktritt aus der Deutschen Islamkonferenz bekanntgab. Der prominente Islamkritiker begründete seine Entscheidung damit, dass die deutsche Politik sich in dem Gremium nur den Vertretern des politischen Islams anbiedere. Für den Beitrag wurde eine Klickzahl von mehr als 7.000 verzeichnet.

Auf einiges Interesse der Leserschaft stieß außerdem der Grundsatztext von Armin Pfahl-Traughber über die Identitätslinke mit kritischen Anmerkungen zu antiindividualistischen und antiuniversalistischen Positionen.

Auch die von Gisa Bodenstein geschriebene Meldung über die behördlich bestätigte Sonderbehandlung religiöser Trauerfeiern in Berlin zog einige Aufmerksamkeit auf sich: Im Rahmen der Infektionsschutzmaßnahmen durften bei Beisetzungen, die in einem religiösen Rahmen stattfanden, mehr Menschen anwesend sein, als wenn dies ohne spirituelle Begleitung geschah. Eine Ungleichbehandlung, die der Humanistische Verband kritisierte.

Dezember

Als das Pandemie-Jahr sich schließlich dem Ende neigte, ließen sich viele Menschen noch einmal über Anthroposophie informieren. Diesmal ging es um ihr Verhältnis zum Antisemitismus. Andreas Lichte sprach darüber in einem ausführlichen Interview mit dem Religionsphilosophen und Anthroposophie-Experten Ansgar Martins und erntete gut 11.000 Artikel-Aufrufe.

Immer wieder hatte sich der hpd mit der Sonderbehandlung von Gottesdiensten in der Corona-Krise auseinandergesetzt, die zwar immer wieder schlagzeilenwirksam zur Verbreitung des Virus beitrugen, aber dennoch nur während des ersten Lockdowns im Frühjahr untersagt wurden. Ein vielgelesener Kommentar von Florian Chefai zu diesem Widerspruch enthielt einen Satz, der die Situation treffend auf den Punkt brachte: "Mit Gottesdiensten sollte genauso verfahren werden wie mit jeder anderen Theaterveranstaltung auch."

Zum Schluss ging es noch einmal um das unrühmliche Jubiläum von 2019: Nach über 100 Jahren nicht umgesetztem Verfassungsauftrag war in diesem Jahr ein Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen kurz vor der ersten Hochphase der Corona-Pandemie der Öffentlichkeit vorgestellt und mit einiger Verzögerung im November in den Bundestag eingebracht worden. Er sieht jedoch großzügige Zahlungen an die Kirchen vor, was das ifw kritisierte und einen Änderungsantrag vorlegte.

1.073 Artikel von 156 Autoren sind beim hpd im zu Ende gegangenen Jahr insgesamt erschienen. Die Redaktion dankt allen Leserinnen und Lesern für ihr Interesse und hofft, sie auch in 2021 über die Welt aus säkularer Sicht informieren zu dürfen.

Hinweis: Die zurückgehenden Klickzahlen sind nicht nur auf die Pandemie zurückzuführen. Seit 1. September dürfen Cookies nur noch nach vorheriger Bestätigung eingesetzt werden. Werden sie abgelehnt, werden keine Informationen erfasst. Daher können nicht mehr alle Leser:innen auf unserer Seite gezählt werden.

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